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[Survival Guide] Chronische Versteckeritis bei Stachelmäusen

 

 

Kennt ihr das? Ihr habt es furchtbar eilig und müsst zu einem wichtigen Termin, dafür aber noch ganz schnell ein paar Dokumente ausdrucken. Und ausgerechnet in dem Moment blinkt am Drucker schonwieder diese Fehler-Leuchte für den Papiereinzug, obwohl doch noch genug Papier vorhanden ist...
Der gemeine, erfahrene Stachelmaushalter kriegt an dieser Stelle gewöhnlich einen Schweißausbruch, gefolgt von einem Schreikrampf. Bei mir war's im letzten solchen Fall übrigens ein halb zernagtes, klebriges Neoangin-Bonbon, mit welchem meine Mäuse den armen, wehrlosen Drucker zwangsgefüttert hatten, und wovon er sich diesmal nichtmehr vollständig erholen sollte...

Um solche und ähnliche, für Mensch und Tier unangenehme oder sogar gefährliche Situationen zu vermeiden, gilt es ein paar Dinge zu beachten. Leider musste ich all das mangels entsprechender, praktischer Info aus Haustierkreisen über Jahre selbst nach und nach auf nervenaufreibende Weise in Erfahrung bringen, was ich Stachelmausneulingen mit dieser kurzen "Bedienungsanleitung" ersparen will.

 

 

Was zum Geier machen die da?

Chronische Versteckeritis, etwas besser bekannt unter scatter-hoarding, ist das Horten von Futter in unzähligen, kleinen und oft hochkreativen (Einzel-)Verstecken, verteilt auf ein riesiges Areal.

Klingt in jeder Hinsicht wahnsinnig anstrengend und ist es auch, hat für die Tiere aber den großen Vorteil dass ihre in der Natur überlebenswichtigen Futterreserven praktisch nicht geklaut werden können. Ein einzelnes Körnchen auf weiter Flur lässt sich von Konkurrenten inner- und außerhalb der eigenen Art schließlich kaum erschnuppern, und selbst dann wäre der Verlust eben nur ein einzelnes, läppisches Körnchen, nicht gleich das komplette Notlager für schlechtere Zeiten.

Ein Nachteil ist dass diese Strategie natürlich unfassbar viel Hirnschmalz (und das wiederum zusätzliche Energie) erfordert - Scatter-Hoarder wie Stachelmäuse oder Raben zählen daher oft zu den intelligentesten Tieren überhaupt und verfügen typischerweise über einen besonders großen Hippocampus (eine unter anderem für Lernen und Gedächtnis zuständige Hirnregion).

(Das "Gegenteil" von scatter-hoarding wäre übrigens langweiliges larder-hoarding, also das Anlegen eines stattdessen einzigen, großen Lagers, mit dem eher emotional intelligenten Hamster als bekanntestem Vertreter.)

 

 

Welche Bedeutung hat Versteckeritis für die Haustierhaltung?

Eine absolut essentielle. Dieses Verhalten ist schließlich das was Stachelmäuse "ausmacht". In verhaltensgerechter Haltung muss ihnen also unbedingt ermöglicht werden, dieses wenigstens halbwegs ausleben zu können.

Stellt man ihnen keine oder nicht genügend solcher Futtermittel zur Verfügung, welche in ihr "Versteckschema" passen, suchen sie sich nämlich zwangsläufig was anderes. Und wie sich das dann auf den Alltag des Halters auswirken kann, habe ich ja schon lebhaft in ihrer entstehenden Art-Vorstellung beschrieben.

Wichtig ist also zu wissen:

 

 

Was wird von Stachelmäusen versteckt?

Kurz: Alles, wirklich absolut alles was sie finden- und mit Müh- und Not schleppen können. Von der Hundeleine bis zu Eierschalen bis zu Ohrenstäbchen bis zu Besteck bis zu Haargummis  bis zu diversen Schraubverschlüssen bis zu Bonbons bis zu Christbaumkugeln bis zu Lebensmittelverpackungen bis zu geschickt heraus gebrochenen Buchstaben der Notebook-Tastatur bis zu Hundespielzeug bis zu Schuhbändern bis zu Dünger-Stäbchen...

Und gleich letzteres ist ein besonders gutes Beispiel dafür, dass man sich selbst- sowie sämtlichen seiner Haustiere einen überaus großen Gefallen damit tut, Stachelmäuse stattdessen rund um die Uhr ausreichend mit besonders beliebtem Versteckzeugs auszurüsten, nämlich vorallem:

 

Trockenes, Hartes, Rundes, (Nuss-)Großes, Energiereiches, Schweres - idealerweise in Kombination

 

Bei meinen Tieren extrem beliebt sind z.B. Haselnüsse. Wie alle Arten von Nüssen sollten diese zu diesem Zweck aber geschält sein. Müssen meine Tiere erst ein Loch in die Schale nagen, wird der Inhalt anders als sonst nämlich meist gefressen - und Nüsse sind für Stachelmäuse in Haustierhaltung aufgrund ihres hohen Fettgehalts fast schon lebensgefährlich ungesund! Mir persönlich scheint dieses ihr Verhalten zwar irgendwie "unlogisch", schließlich wäre in freier Natur umgekehrt eine noch verschlossene Nuss doch viel haltbarer und somit besser zum Horten- als zum Gleichfressen geeignet, aber Stachelmäuse sind bekanntlich eben manchmal "unlogische" Tierchen.

Außerdem scheinen Stachelmäuse die Schale einer (vermeintlichen) Nuss auch immer mit zu verkosten (als Wüstentier darf man eben "nix verkommen lassen", wie meine kriegsgeprägte Oma immer zu sagen pflegte), und das kann durchaus gefährlich werden. Unter anderem habe ich in den Kötteln meiner besonders fleißigen Versteckerin Maniamaus schon kleine Metallsplitter mit pinkem Glitzerstaub dran gefunden - wie sich rausstellte von einer versteckten Christbaumkugel stammend, in welche Maniamaus ein kleines Loch genagt hatte um nach einem eventuellen Nusskern darin Ausschau zu halten!

 

 

 

Was kann man Stachelmäusen zu diesem Zweck anbieten?

Eins vorweg: Trotz unzähliger Experimente habe ich den für alle Bewohner des Haushalts perfekten Kompromiss bis heute nicht gefunden und freue mich über entsprechende Tipps!

 

Um Unannehmlichkeiten halbwegs zu vermeiden, sollte man vorallem auf Folgendes achten:

 

- gute Haltbarkeit

...versteht sich von selbst, natürlich will man keine schimmelnden oder mottenbefallenen Futterbestandteile flächendeckend in der Wohnung verteilt wissen.

 

. möglichst "sichere" Mindestgröße

Roggenkörner & Co sind zwar sehr beliebt, landen aber nur allzu gern in Steckdosen (Kindersicherungen sind bei Stachelmaushaltung ohnehin ein Muss!), Belüftungen von Elektrogeräten, Kopfhörerbuchsen usw.! Grundsätzlich gilt also: je größer, desto sicherer für alle Beteiligten.

 

- möglichst wenig schmerzhaft beim Drauftreten (oder/und nächtlichem Drauflegen)

Auch das versteht sich von selbst, denn da man stachelmäusischen Verstecken im Alltag wortwörtlich auf Schritt und Tritt begegnet, würden die menschlichen Nerven auf Dauer von Glasmurmeln, Legosteinen & Co. erfahrungsgemäß zu stark beansprucht.

 

- möglichst wenig Dreck hinterlassend beim Drauftreten (oder/und nächtlichem Drauflegen)

Außer man hat nix dagegen, im Alltag ständig mit Putzfetzen oder Handbesen rumzurennen.

 

- ungefährlich/verträglich auch für andere Haustiere

Tja, das ist in meinem Haushalt leider die vielleicht größte Schwierigkeit überhaupt. Mein besonders verdauungsempfindlicher Hund reagiert z.B. leider mit explosionsartigem Durchfall auf bestimmte, kugelförmige Mäusefutter-Extrudate, welche sich ansonsten absolut perfekt eigenen würden. Wegen ihm erhalten meine Mäuse daher derzeit fast ausschließlich für den Hund verträgliche, trockene Nudeln.

 

 

 

Wann muss man mit vermehrter Versteckeritis rechnen?

In Haustierhaltung vorallem...

 

1. bei niedriger bzw. abfallender Raumtemperatur

 

2. bei niedrigem bzw. abfallendem Geschlechtshormonpegel

 

3. bei geringer bzw. abfallender Gruppengröße

 

4. bei geringem bzw. abfallendem sozialen Stress

 

5. bei ad libidum - Fütterung

 

...und jeweils umgekehrt!

 

 

Dadurch ist die Ausprägung ihrer Versteckeritis ein mitunter erster und wichtiger Hinweis für den Menschen, dass in der Haltung was "nicht stimmt".

Ist z.B. eine Zuchtgruppe von früh bis spät mit Verstecken beschäftigt, wird man auf eventuellen Nachwuchs - warum auch immer - wohl noch lange zu warten haben.

Hat eine Maus nach Änderungen in der Gruppe plötzlich so garkeine Lust mehr auf Versteckerei, könnte sie erheblich unter Stress stehen.

Frisst sich eine Stachelmaus mit Sonnenblumenkernen und Nüssen voll anstatt sie zu verstecken, ist die Fütterung eindeutig zu restriktiv.

usw.

 

 

 

Weitere Alltagstipps zum Leben mit Stachelmaus-Versteckeritis

 

Fällt wiedermal unerwartet eine Nudel oder sonstwas irgendwo runter/raus, lasst sie einfach liegen.

Spart euch die Mühe, das Geräusch einer zu Boden fallenden Nudel weckt ohnehin selbst tote Stachelmäuse auf, sie werden sie in der Regel binnen 10 Sekunden wieder auflesen.

 

 

Man serviere ihnen ihr Versteckzeugs gerade(!) an dem Ort, an welchem man es eigentlich am wenigsten haben will!

Der Grund dafür ist, dass Stachelmäuse umso größere Strecken zurücklegen (wollen), je "wertvoller" etwas ist. Stellt man also z.B. eine Schüssel Haselnüsse in unmittelbare Nähe des Hundekörbchens, wird dieses in der Regel als letztes zum Versteck auserkoren, usw.

Und apropos:

 

 

Man vermeide "Verbotszonen" in der Stachelmauserziehung so weit wie nur irgend möglich!

Das ist ganz besonders wichtig, wenn sich (gewöhnlich) gleich mehrere ArtgenossInnen im Freilauf befinden! Denn so höllisch schlau wie die Mistviecher nunmal sind, wählen sie dann zum Verstecken bevorzugt genau die Orte / Räume, die Stachelmäuse auf garkeinen Fall betreten dürfen!

 

 

Man durchsuche seine Dreckwäsche vor dem Waschen stets gründlichst nach darin verstecktem Zeugs!

Ihr wollt nämlich garnicht wissen wie es ausgeht, wenn sich wiedermal Nudeln in der Kochwäsche befunden haben.

 

 

 

Warum in aller Welt tut man sich das alles an?

Als Stachelmausliebhaber müssen wir ihrer nervigen Versteckeritis "dankbar" sein, denn diese Strategie hat vermutlich wesentlich dazu beigetragen dass Stachelmäuse das sind was sie sind: Nagetiere von absolut herausragender, beeindruckender Intelligenz, mit welchen daher ein Zusammenleben und eine Ebene der Kommunikation möglich ist, wie ansonsten nur mit Hunden. Wenn man das mal selbst erleben durfte, wird man sich wohl niemehr mit anderen Mäusearten zufrieden geben können - Rosine im Schuh und Nudel im Bett hin oder her!