Hat man erstmal erlebt, wie sehr Mäuse durch geistige Beschäftigung aufblühen, wieviel Lebensfreude sie dabei ausstrahlen, wie unheimlich fröhlich und neugierig sie dadurch werden, welch tiefes Vertrauen sie in Mensch und Umwelt gewinnen, stellt sich die Frage nach den Gründen garnichtmehr.
Hat man den Unterschied zwischen der Haltung in Makrolonboxen und artgerechten Gehegen nochnie erlebt, könnte man auch durchaus behaupten, Mäuse bräuchten kein artgerechtes Gehege, denn sie wirken in Makrolonboxen völlig zufrieden, fressen gut, werden alt, sehen gut aus, vermehren sich hervorragend... Wie sehr sie von artgerechten Gehegen aber profitieren, weiss man erst dann, wenn man sie selbst darin erlebt hat und somit den Unterschied kennt.
Und genauso verhält es sich auch mit geclickerten und ungeclickerten Mäusen und dem Unterschied in deren Verhalten und Ausstrahlung - man muss es einfach erlebt haben, um zu wissen, wie unheimlich wichtig geistige Beschäftigung für diese hochintelligenten Tiere ist - nämlich mindestens genauso wichtig wie die körperliche!
An Mäusen wurde ein Phänomen beschrieben das sich "Contrafreeloading" nennt: Haben Mäuse die Wahl, sich Futter über ein erlerntes Verhalten zu verdienen, und frei zur Verfügung stehendem Futter, entscheiden sie sich immer dazu, für das Futter (geistig) zu arbeiten!
Je schwieriger die Aufgabe, desto besser schmeckt ihnen scheinbar das Futter im Vergleich zum frei Verfügbaren.
Und das ist auch beim Clickertraining zu beobachten - Mäuse vollführen schwierige Tricks, während ihre Futterschüssel mit exakt denselben Leckerchen direkt neben ihnen steht und sie sich einfach bedienen könnten!
Warum dem so ist, ist noch unklar.
Eine der Theorien besagt dass Mäuse so ihr natürliches Nahrungssuchverhalten auszuleben versuchen.
Eine weitere ist dass Mäuse Informationen darüber sammeln wollen, wie sie künftig an Nahrung gelangen können, sollte die frei verfügbare Ressource mal versiegen.
Eine simple und mir sympathische Theorie erklärt Contrafreeloading schlicht und einfach mit dem Spaß, den Mäuse sich so verschaffen.
Und schließlich könnte das Phänomen als Ventil für die in Gefangenschaft nicht auslebbaren Verhaltensweisen dienen.
Jedenfalls bevorzugen Mäuse erwiesenermaßen geistige Aufgaben klar dem Futternapf!
Mäuse haben ein ganz besonders ausgeprägtes Kompetenzbedürfnis. Das bedeutet, dass sie ihre Umwelt als kontrollierbar wahrnehmen wollen und müssen, um sich darin sicher zu fühlen. Dieses Bedürfnis ("Kontrolltrieb") ist für in Gefangenschaft gehaltene Mäuse fundamental und steht sogar über Durst, Hunger und Sex! (R. W. WHITE, 1959)
Eindrucksvoll sind auch die dahingehenden Versuche mit Weissfußmäusen, die mittels Schaltern die Lichtverhältnisse in ihren Käfigen selbst regeln konnten: Ihre Umwelt bzw. den Versuchleiter zu manipulieren war ihnen so wichtig, dass sie immer eine jeweils andere Einstellung wählten als die vom Versuchsleiter vorgegebene - selbst dann wenn diese überhaupt nicht zu ihrem Aktivitätsrhythmus passte! (J. L. KAVANAU, 1967)
Beim Clickertraining erfährt die Maus genau diese Art von Kompetenz (die im Käfigalltag leider vollkommen fehlt), denn sie kontrolliert das Verhalten ihres Menschen. Daher sind Mäuse für diese Art des Trainings so besonders zu begeistern - es ist sozusagen "wie für sie gemacht".
Lernen ist bei Mäusen intrinsisch motiviert. Das heisst, sie brauchen keinen Grund dafür, sondern tun es seiner selbst willen.
Lernen macht Mäusen ganz einfach Spaß!
Anders als wir Menschen haben sie das große Glück, nicht zwanghaft über den Sinn ihres Tuns nachdenken zu müssen. Schüler fragen sich z.B. bestimmt manchmal - und möglicherweise zurecht - wozu ihnen Integralrechnung und Kurvendiskussionen im späteren Leben jemals von Nutzen sein werden. Lernen ist hier also rein extrinsisch motiviert.
Würden wir unsere Mäuse vermenschlichen, was leider nicht selten vorkommt, würden wir also bestimmt darüber philosophieren, welchen Sinn es denn eigentlich macht, dass eine Maus z.b. Slalom läuft oder Basketball spielt.
Mäuse würden diese Frage nicht verstehen. Denn sie tun nicht das was in ihren Augen Sinn macht, sondern das was Spaß macht - z.B. Slalom laufen und Basketball spielen!
Was das angeht können wir Menschen von unseren Mäusen noch so einiges lernen.
Leider gelten Mäuse gemeinhin als "Haustiere 3. Klasse". Und das sogar unter nicht wenigen Tierärzten, was man spätestens dann bemerkt, wenn man einen nächtlichen Notfall hat.
Mit Hund und Katze geht man wegen jedem Wehwehchen zum Tierarzt, die Maus dagegen "stirbt eh von allein".
Da sie so klein sind, gelten sie als dumm und anspruchslos - ideal als billiges Geburtstagsgeschenk für Kinder.
Als sogenannte "reine Beobachtungstiere" gelten Mäuse als schon geistig vollends ausgelastet, wenn man sie anglotzt, während sie auf einem Ast herumklettern.
Klebefallen, auf denen sie auf grausamste Art verrecken, sind nachwievor legal erhältlich - wen interessiert's, sind ja nur Mäuse, Ungeziefer, nicht leidensfähiger als Insekten.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Anders als in der Rattenhaltung ist in der Mäusehaltung noch kaum ein Bewusstsein dafür vorhanden, welch anspruchsvolle Intelligenzbolzen man zuhause hat. Und das obwohl sie Ratten nicht nur in nichts nachstehen, sondern nachgewiesenermaßen sogar kreativer in Problemlösungen sind und einen um ganze 25% höheren Enzephalisationsquotienten (Maßstab für tierische Intelligenz) als diese haben.
Indem man zeigt, wie intelligent Mäuse wirklich sind und zu welchen Leistungen sie fähig sind, hilft man, dieses Image endlich zu korrigieren und Mäusen den Respekt zu verschaffen, den sie so sehr verdienen.
Durch zahlreiche Zuschriften weiss ich, dass Mäuse durch ihre Intelligenzleistungen enorm an Sympathie und Respekt gewinnen - sogar unter Phobikern (meine Videos werden zu Therapiezwecken eingesetzt)!
Und der Gedanke, Mäuse könnten in kleinen Kinderzimmerkäfigen ein zufriedenes Leben führen, oder sie wären als "niedere Tiere" nichtmal leidensfähig, wird dadurch ganz von allein völlig absurd.
So dient z.B. meine Maus Brain Storm in einem Artikel eines Hirnforschers im Scientific American als Argument dafür, dass Mäuse eben keine bloßen "Automaten" sind, sondern uns im Denken ähnlicher als wir glauben: www.scientificamerican.com/article.cfm?id=sex-and-violence&page=1
Ich kann andere Halter also nur dazu ermutigen, dieses Wissen weiterzutragen und zu zeigen, was wirklich in unseren Mäusen steckt!
Clickertraining macht glücklich!
Das ist nicht nur eine Annahme meinerseits, sondern eine hirnphysiologische Tatsache - denn Clickertraining wirkt auf das dopaminerge System.
Und wer hat nicht gern glückliche Haustiere?
(wird noch vervollständigt)